Bremen hat zwischenzeitlich den bei Veranstaltungen der Bundesliga üblichen kostenlosen Einsatz von Polizeihundertschaften infrage gestellt. Die offizielle Erklärung aus Bremen schlug bei den Sportvereinen wie auch in der Presse und im Rundfunk hohe Wellen. Reinhard Rauball, Präsident des Deutschen Fußballbundes von Beruf Rechtsanwalt und für kurze Zeit sogar einmal Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, ließ sofort ein für Bremen terminiertes Länderspiel in ein anderes Stadion verlegen. In einem Interview mit Radio Bremen erklärte er, dieser Schritt sei notwendig. FOCUS zitierte ihn mit den Worten: „notfalls gehen wir bis vor das Bundesverfassungsgericht.“ So uneinsichtig, wie sich Rauball einbrachte, berichteten Presse und Rundfunk jedoch nicht. Gleichwohl ließen sie in ihrer Berichterstattung eine gebotene differenzierte Erörterung der Thematik nicht erkennen. Anlass hierzu besteht jedoch hinreichend.
Fest steht, dass zahlreiche Fußballspiele, die als Sport bezeichnet werden, dennoch seit Jahren von einer Orgie aus Gewalt und Vandalismus begleitet werden. Die Veranstalter beanspruchen vom Staat, genauer von den Polizeibeamten vor Ort, dass sie für Ruhe und Ordnung sorgen. Dass solche Einsätze oftmals davon gekennzeichnet sind, dass zahlreiche Polizeibeamte bei diesen Einsätzen verletzt oder sogar schwer verletzt vom Platz getragen werden müssen und als Folge hiervon monatelang dienstunfähig sind, scheint wohl offenbar nur geringe Bedeutung zu besitzen. The show must go on!
Hinzu kommt, dass in der Berichterstattung von Presse und Rundfunk die Tatsache keinen Eingang findet, in welchem Ausmaß die Polizeibeamten vor Ort sich bei ihren Einsätzen einem ständigen und belastenden Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen, gefördert durch entsprechende Ansprachen ihrer Vorgesetzten. Später kommt dann noch die kritische Aufarbeitung des Einsatzes hinzu, vor allem dann, wenn eine tendenziöse Berichterstattung die Polizeibeamten als Schläger und Brandstifter diffamiert. Auch die Vorgesetzten selber sehen sich ihrerseits gleichfalls einem nicht immer freundlichen Dienstgespräch mit ihren Vorgesetzen gegenüber. Die enorme körperliche Belastung eines Einsatzes, der sich oftmals über viele Stunden ohne jede Pause hinzieht, bleibt ebenso unerwähnt.
Eine Interessenabwägung gebietet es auch, die erheblichen Fehlzeiten, die durch den Polizeieinsatz hervorgerufen werden, zu bedenken, zum Beispiel wenn Polizeieinsätze mit rund 3,000 Beamten erforderlich werden. Angesichts der ständig wachsenden Anforderungen, die an die Polizei gestellt werden, geht dies mit einem Rückgang der Präsenz in der Öffentlichkeit und Abnahme der Kontrollfähigkeit der Polizei einher, deren Folgen in der jährlich vom Bundeskriminalamt herausgegebenen Polizeilichen Kriminalstatistik nachprüfbar sind.
Am aller wenigsten bedacht wird jedoch, welche Dimensionen die Folgen der nachlässigen Personenkontrolle in den Fußballstadien für die ahnungslosen Zuschauer des Fußballspiels besitzen. Wenn es heute möglich ist, dass zahlreiche Besucher von ihren Plätzen aus in erheblichem Umfang Feuerwerkskörper und bengalische Fackeln entzünden und auf das Spielfeld werfen können stellt sich die Frage, ob den Veranstaltern bekannt ist, auf welche Weise in Afghanistan, in Syrien und im Irak Terroristen ihr tödliches Handwerk verrichten. Für Massenmorde sind gerade Menschenansammlungen in Stadien ideale Ziele und leicht zu erreichende noch dazu, wie die zahlreichen Wurfgeschosse, brennenden Fackeln und Feuerwerkskörper bei Fußballspielen beweisen.
Der Anspruch der Allgemeinheit an den Staat auf Sicherheit und Ordnung geht der Organisation von kommerziellen Fußballspielen vor. Dies scheinen Rauball und seine Freunde nicht sehen zu wollen. Ohne große Panik zu verbreiten, sollten die Fußballvereine sowohl ihre Einlasskontrollen wie auch die Abgabe der Tickets stärker kontrollieren, zum Beispiel durch Vorlage des Personalausweises beim Erwerb von Eintrittskarten, die mit Namensaufdruck zu versehen sind. Sie sollten ferner in ihre Überlegungen ein bundesweites Stadionverbot als letzte Sanktionsmaßnahme für alle als Randalierer auffällig gewordenen „Fußballfans“ einbeziehen. Der Verkauf von Tickets an aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak zurückgekehrte Dschihadisten wäre in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen und zu beurteilen.
Die verstärkten Anforderungen an die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die zunehmende Grenzöffnung der Bundesrepublik aber auch als Folge der immer heftiger geführten Religionskriege – wir haben offenbar den 30jährigen Krieg vergessen – fordert von den staatlich Verantwortlichen einen verstärkten Einsatz ihrer Kräfte. Rauball sollte wissen, welch enormer Personaleinsatz Observationen zum Schutz der Bevölkerung gegen terroristische Umtriebe notwendig macht. Seine Ignoranz ist absolut unverzeihlich.
Wenn also Rauball auf das Bundesverfassungsgericht hofft, wird er bereits im Vorfeld der Auseinandersetzung Vorschläge machen müssen, wie als Folge von aufwendigen Polizeieinsätzen bei Fußballspielen die Benachteiligung der Allgemeinheit durch Schmälerung der Einsatzfähigkeit der Polizei kompensiert werden kann. Die Nachdenklichkeit über die enormen Gefahren von Massenveranstaltungen durch eine unkontrollierte Ticketabgabe oder nachlässige Eingangskontrollen darf nicht erst nach einem explosiven Vorfall einsetzen. Bedauerlich ist nur, dass, anders als Bremen, andere Länder erst einen mutigen Schritt nach vorn wagen und dann, wie Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD), nach erster Kritik zurückstecken.
Für Presse und Rundfunk ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, sachlich und nüchtern die Bevölkerung darüber zu informieren, dass sie allein schon aus Gründen des Eigenschutzes, Auffälligkeiten in verstärktem Maße ihr Augenmerk schenken und gegebenenfalls, ohne zu zögern, die Polizei informieren muss.
Friedrich Weber